16.08.2021
Für die von der Flutkatastrophe an Ahr und Erft betroffenen Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige stellen die Erlebnisse der letzten Wochen eine zusätzliche Belastung auf dem Weg der Genesung dar. Pfarrer Thomas Bergenthal, Krankenhausseelsorger des Gemeinschaftskrankenhauses Bonn, berichtet im Interview, wie er Betroffenen in diesen schweren Stunden versucht beizustehen.
Herr Pfarrer Bergenthal, wie kommen Sie in Kontakt mit Menschen, die Ihren seelsorglichen Dienst in Anspruch nehmen wollen?
Ich habe ein Interesse an Menschen und gehe auf sie zu, aber ich dränge mich nicht auf. Meistens werde ich von Krankenschwestern zu einem Patienten oder einer Patientin gerufen. Sie haben einen Blick dafür, wer diese Unterstützung braucht. Ich gehe aber auch immer wieder mit offenen Augen über die Flure und bin ansprechbar. Denn meine Aufgabe sehe ich als gelebten Gottesdienst in der Sorge um die Menschen.
Zurzeit werden Sie mit Flutbetroffenen konfrontiert. Wie gehen Sie auf diese Menschen ein?
Diese Menschen haben Existenzielles erlebt und müssen sich die traumatisierenden Dinge erst von der Seele reden. So berichtete mir ein Patient, der sich auf die Veranda im ersten Stock seines Hauses gerettet hatte, wie er Ertrinkende vorbeitreiben sah, ohne helfen zu können. In solchen Situationen versuche ich, die Betroffenen mithilfe kleiner Impulse und Rückmeldungen zu unterstützen. Stand in den ersten Tagen nach der Flutkatastrophe das aktive Zuhören und Erzählenlassen im Vordergrund, werden die Gedanken der Betroffenen jetzt tiefer und existenzieller. Sie fragen sich: „Warum passiert mir das?“ Im Chinesischen gibt es für „Krise“ zwei Schriftzeichen: „Gefahr“ und „Chance“. Ich versuche also Mut zu machen, dass es möglich ist, sich aus Belastungen wieder zu befreien. Wenn es gewünscht ist, beenden wir das Gespräch mit einem kleinen Gebet.
Manchmal geht es auch um ganz konkrete Dinge: in Absprache mit den Ärzten zu ermöglichen, dass eine Patientin etwas länger im Krankenhaus bleibt, bis eine Weiterbetreuung organisiert ist. Dann gab es den Patienten in der Orthopädie, der während der Flutkatastrophe im Krankenhaus lag und danach seine Frau nicht erreichen konnte. Ich habe jemanden finden können, der Sie dann ausfindig gemacht hat und zum Krankenhaus gefahren hat, damit sie ihren Mann besuchen konnte.
Wie wirken sich die Corona-Regeln auf Ihre Arbeit aus?
Durch die Impfung hat sich die Corona-Lage für die Seelsorge entspannt, doch es müssen weiterhin alle Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten werden, und ich sitze mit Mund-Nasen-Schutz am Bett. Man kann sich aber trotzdem den Menschen deutlich zuwenden und durch die Körpersprache Offenheit zeigen. Schwierig ist es für mich, einen Gottesdienst nur vor der Kamera zu feiern. Deshalb bin ich froh, dass die Ordensschwestern dabei sind. Ich beginne dann den Gottesdienst mit den Worten „Wir begrüßen Sie aus der Kapelle an Ihren Bildschirmen.“