Einen Job ausüben und Geld verdienen: Für viele Menschen bleibt das aufgrund einer Erkrankung nur ein Traum. Hier unterstützt das BeBiz Saar. Es erstellt mit den Teilnehmenden, die in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung unterfordert wären, ein individuelles Konzept. Somit bekommen sie eine reelle Chance auf dem Arbeitsmarkt.
Ein Transporter fährt auf den Hof einer Truck-Werkstatt in
Saarbrücken. Herr Z. geht mit einem Klemmbrett unter dem Arm zur Fahrerseite,
spricht mit dem Mann hinter dem Steuer. Zusammen schauen sie sich die Ladung
des Transporters an, die dann ausgeladen wird. Der 38-Jährige gilt wegen seiner Erkrankung auf dem normalen Arbeitsmarkt als kaum vermittelbar.
Doch er hat eine Chance bekommen – dank des BeBiz Saar.
Herr Z. hat mit seinen 38 Jahren bereits einiges auf dem
Arbeitsmarkt erlebt. Er war in verschiedenen Firmen tätig, unter anderem in Leiharbeitsfirmen, Großküchen, Tierhandlungen und in einem Fliesenlegerbetrieb. Er war sich für nichts zu schade. Dabei habe er viele
schlechte Erfahrungen gemacht. „Ich wurde oft ausgenutzt. Da hieß es dann, mit
dem – also mir – kann man es ja machen“, erzählt er mit gesenktem Blick. Herr Z. hat eine Lernschwäche, die sich auf seine Merkfähigkeit auswirkt. Irgendwann
habe er genug gehabt, er wolle nicht der „ewige Helfer“ sein. „Als ich dann vom
BeBiz Saar gehört habe, wollte ich das Konzept unbedingt ausprobieren, denn ich möchte wirklich gerne arbeiten“, sagt er.
Das BeBiz Saar (Berufsbildungszentrum Saar) ist ein bis dato
einzigartiger Anlaufpunkt im Saarland für Menschen mit seelischer Behinderung
und/oder psychischen Einschränkungen. 2019 gemeinsam von der Barmherzige Brüder
Rilchingen gGmbH und dem Christliche Erwachsenenbildung (CEB) Merzig e.V.
gegründet, dauerte es aufgrund der Corona-Pandemie noch bis ins Jahr 2020, bis
es richtig losgehen konnte.
„Ich arbeite im BeBiz als Psychologin und in ersten Gesprächen finde ich gemeinsam mit den Teilnehmenden ihre Stärken und Schwächen heraus. Wir arbeiten in Gruppen, aber auch einzeln mit den Teilnehmenden Dadurch, dass es bei uns kein standardisiertes Verfahren gibt, können wir spezifisch auf die Bedürfnisse des Einzelnen eingehen. Zudem tauschen wir uns intensiv innerhalb des Teams aus und halten stets engen Kontakt zu den Teilnehmenden. Das macht das BeBiz und dessen Konzept zu etwas Besonderem.“
Erwachsene, die an psychischen Erkrankungen bzw.
Beeinträchtigungen wie beispielsweise Depressionen, einer ausgeprägten Lernstörung
oder auch Schizophrenie leiden und arbeiten möchten, können sich an das BeBiz
Saar wenden. Psycholog*innen, Bildungsbegleiter*innen und Sozialarbeiter*innen erstellen
mit den Teilnehmenden ein individuelles Konzept, durch das diese dann eine
reelle Chance auf dem Arbeitsmarkt bekommen. In einem dreimonatigen
Eingangsverfahren werden gemeinsam mit den Psycholog*innen die Stärken und
Schwächen herausgefunden und die beruflichen Perspektiven heraus gearbeitet. Sozialarbeiter*innen
arbeiten anschließend mit den Teilnehmenden an den Bewerbungsunterlagen und
entsprechenden Formulierungen. Ein Bildungsbegleiter schaut sich anschließend
passende Firmen im Umkreis an und erfragt, ob der Teilnehmende dort ein langfristiges
Praktikum machen kann. Sollte dies erfolgreich verlaufen, könnte es zur
Festanstellung kommen.
„Ich bin Bildungsbegleiter im BeBiz und spreche mit den Teilnehmenden im Eingangsverfahren. Dort schaue ich mir an, welche Einschränkung sie haben, aber auch welche Fähigkeiten. So finde ich heraus, in welchem beruflichen Bereich sie vielleicht arbeiten können, wenn sie denn dorthin wollen. Ich muss auch einschätzen, ob die Teilnehmenden in ihren Wunschberufen überhaupt arbeiten können oder ob es besser geeignete Jobs für sie gibt. Wenn wir uns auf einen Bereich geeinigt haben, dann suche ich passende Betriebe heraus. Dort frage ich dann persönlich nach, ob die Bereitschaft besteht, einen Menschen mit seelischer Behinderung zu unterstützen. Wenn der Teilnehmende sein Praktikum beginnt, arbeite ich eng mit den Betrieben zusammen. Ich schaue mir mindestens einmal die Woche an, wie es läuft. Und sollte es Probleme geben, dann helfe ich dabei, eine Lösung zu finden. Bisher gab es aber keinerlei Probleme.“
Als Lagerist in der Truck-Werkstatt in Saarbrücken hat Herr Z. gute Chancen auf diese Übernahme. Er unterstützt die Mechaniker*innen, indem er
Werkzeug wegräumt und Ordnung in der Halle schafft, Ware annimmt und schaut bei
den Kolleg*innen auch mal zu, wenn sie einen Truck reparieren. Geschäftsführer
Peter Kirner ist von Herrn Z. begeistert.
Das BeBiz Saar spricht eine Gruppe von Menschen an, die
bisher größtenteils durch das Raster gefallen ist. „Menschen mit seelischer
Behinderung, wie es formal heißt, werden oft auf klassische Werkstätten für
Menschen mit Behinderung (WfbM) verwiesen. Denn sie sind am allgemeinen
Arbeitsmarkt unter drei Stunden täglich
arbeitsfähig. Doch in der WfbM fühlen sich die meisten unterfordert oder auch
nicht richtig aufgehoben. Seit dem Bundesteilhabegesetz können diese Menschen
nun endlich aufgefangen werden und sich beruflich einbringen, wenn sie denn
möchten“, erklärt die Leiterin des BeBiz Saar, Carola Schlichter-Lehnert.
„Andere Leistungsanbieter“ wie das BeBiz Saar sind im
Bundesteilhabegesetz definiert: Sie sind keine Arbeitgeber des allgemeinen
Arbeitsmarktes, sondern ein Angebot der Eingliederungshilfe. Sie müssen
vergleichbare Leistungen und Qualitätsstandards wie Werkstätten für Menschen
mit Behinderung anbieten, dürfen ihr Angebot aber zum Beispiel auf eine
bestimmte Zielgruppe ausrichten und unterliegen keiner Aufnahmeverpflichtung.
Dadurch können sie ihr Konzept passgenau auf ihre Zielgruppe ausrichten.
„Es ist toll, das BeBiz mit seinem einzigartigen Konzept stetig wachsen zu sehen. Mein Job als Leiterin im BeBiz ist zum einem der administrative Part: Ich manage die Kommunikation zwischen den Maßnahmen und innerhalb des Teams, bin Ansprechpartnerin für die Geschäftsführer, führe die Info-Gespräche mit potenziellen Teilnehmenden. Und ich schreibe mit den Teilnehmenden die Bewerbungen für die Praktikumsbetriebe, übe Formulierungen mit ihnen. Zum anderen habe ich als Sozialarbeiterin auch immer ein offenes Ohr für Sorgen jedweder Art, seien es Probleme von Teilnehmenden im Alltag oder auch Hindernisse bei der Arbeit der Kollegen. Ich fühle mich richtig lebendig bei der Arbeit im BeBiz, denn sie macht Spaß und die Teilnehmenden kommen freiwillig und gerne zu uns. Das ist auch ein Merkmal der Einrichtung, die sie von anderen unterscheidet. In anderen Maßnahmen werden Menschen mit Unterstützungsbedarf bei der Jobsuche auch mal ohne Eigeninitiative vom Kostenträger zugewiesen. Da fehlt zu Beginn dann schon mal die Motivation. Wer zum anderen Leistungsanbieter kommen möchte, muss aber selbst einen entsprechenden Antrag stellen. Deswegen schätze ich die Entwicklung und den Erfolg des BeBiz Saar perspektivisch auch sehr gut ein.“
Mit Herrn Z. kam der allererste Klient zum BeBiz. Ein
Alleinstellungsmerkmal des BeBiz ist die ambulante Betreuung. „Ich verbringe vier
Tage in der Woche in meinem Praktikumsbetrieb und einen Tag hier im BeBiz. Abends
komme ich in meine eigenen vier Wände zurück, das ist schön“, erzählt er in der Küche des BeBiz Saar. Hier kochen und essen die Teilnehmenden zusammen,
tauschen sich über den Tag und ihre Erfahrungen aus. Im Werkraum schräg
gegenüber der Küche hat Herr Z. ein ganz persönliches Projekt während des
Eingangsverfahrens begonnen, welches er nun nach dem Wechsel in den
Berufsbildungsbereich noch abschließen kann. Der leidenschaftliche Schachspieler
hat sich Schachfiguren aus Holz ausgearbeitet. „Sie
sollen besonders sein und nicht wie andere Schachfiguren, die man so kennt“,
betont er im Werkraum des BeBiz Saar,
als er die Figuren präsentiert. Wenn er sich nicht bei den Holzarbeiten
aufhält, dann ist er auch manchmal im EDV-Raum zu finden. Hier findet unter
anderem auch eine Maßnahme des BeBiz Saar für eine andere Zielgruppe statt, das
Projekt „Pelikan“.
„Pelikan“ ist für Menschen konzipiert worden, die in ihrem
erlernten Beruf aufgrund einer Einschränkung nicht mehr arbeiten können. Das
kann zum Beispiel die Krankenschwester sein, die ein Burnout hatte und ihren
Job nicht mehr ausüben kann. Dennoch ist sie dazu fähig, als Vollzeitkraft in
einem anderen Bereich zu arbeiten. Bei der Neuorientierung helfen die
Mitarbeitenden des BeBiz Saar den Teilnehmenden. Acht Wochen lang entwickeln
die Mitarbeitenden mit den Teilnehmenden neue Perspektiven, die anschließend in
Praktika von bis zu vier Monaten ausprobiert werden können. „Die
Vermittlungsrate ist sehr hoch“, sagt Carola Schlichter-Lehnert, Leiterin des
BeBiz Saar. Im EDV-Raum werden mit den Teilnehmenden zum Beispiel Bewerbungen
geschrieben. Aber auch andere Klienten und Klientinnen arbeiten im EDV-Raum,
„hier ist immer etwas los“, sagt Carola Schlichter-Lehnert als sie einen Blick
durch den gut besetzten Raum wirft.
„Wir haben den Bedarf gerade in der Region Saarbrücken festgestellt. Deswegen auch der Name BeBiz Saar. Er soll einen leichten Zugang bieten und den Menschen die Hemmung nehmen, sich anzumelden. Denn der eigentliche Begriff „Anderer Leistungsanbieter“ ist doch etwas sperrig“, erläutert Geschäftsführer Oliver Heydt. Und der zweite Geschäftsführer Rolf Lay ergänzt: „Wir wollten keine weitere klassische Werkstatt für Menschen mit Behinderung, sondern eben jenen einen Platz bieten, die durch das Raster fallen.“
Für Herrn Z. ist es eine Chance, die er gerne ergreift. „Meine Zukunft entwickelt sich im BeBiz Saar. Ich bin dankbar für die
Möglichkeit, die mir hier geboten wird. Ich möchte meinen Beitrag leisten und unbedingt arbeiten“, sagt er lächelnd. Und im
besten Falle hat er bald nach dem Praktikum einen langfristigen Job, auf den er
sich schon lange freut.