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„Entschieden für Menschen – Glaubwürdig handeln in säkularem Umfeld“

Zwar endete am 17. Januar offiziell das Jubiläumsjahr 200 Jahre Peter Friedhofen, nicht jedoch die Entschiedenheit für Menschen. Prof. Dr. Georg Cremer, ehemaliger Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes e.V., spricht im Interview darüber, wie glaubwürdiges handeln in einem säkularen Umfeld gelingen kann. 

Prof. Dr. Georg Cremer

Warum müssen wir uns überhaupt die Frage nach der Glaubwürdigkeit unseres Handelns stellen?

"Das Umfeld der verbandlichen Caritas, zu der auch die BBT-Gruppe gehört, hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant verändert. Die Zahl der Austritte aus der Katholischen Kirche entspricht jedes Jahr der Bevölkerungszahl einer größeren Stadt. Für viele ist Religion in ihrem Alltag nicht mehr relevant, doch das muss uns nicht mutlos hinterlassen. Auch eine Kirche die kleiner wird, kann glaubwürdig und wirkmächtig handeln."

Wenn die religiöse Bindung verloren geht, wächst dann nicht die Kritik an der Einbindung kirchlicher Träger in die unser Sozialsystem?

"Das ist der Fall, aber auch heute gibt es noch eine insgesamt breite Akzeptanz der Arbeit der Caritas. Damit ist sie sicherlich eine Quelle der Wertschätzung für die Kirche in Deutschland. Allerdings können wir nicht mehr wie bisher davon ausgehen, dass die Dienste der Caritas uneingeschränkt akzeptiert und angenommen werden: Für die Caritas als Anbieter sozialer Dienstleistungen muss das Wunsch- und Wahlrecht der hilfesuchenden Bürger im Mittelpunkt stehen. So sollten sich Eltern aus Überzeugung für einen konfessionellen Kindergarten entscheiden und nicht, weil sie sonst keinen anderen Platz gefunden haben. Dann werden sie nicht hinterfragen, warum ein Kreuz an der Wand hängt oder die christlichen Feste im Jahreskreis Thema sind. In manchen Regionen und Branchen ist die Caritas noch marktbeherrschend, was den Menschen in gewisser Weise die freie Wahl nimmt. Auch wenn es schwer fällt, sollten katholische Rechtsträger darauf achten, dort Raum für konkurrierende Anbieter zu lassen."

Was unterscheidet konfessionelle eigentlich von anderen gemeinnützigen Trägern?

"Wir müssen die Vorstellung loslassen uns unbedingt von anderen abgrenzen zu müssen. Entscheidend ist die Frage "Werden wir unserem Auftrag gerecht? Unterstützen wir Menschen in unterschiedlichen Notlagen, ohne dabei Gefahr zu laufen sie als "Fälle" zu betrachten? Arbeiten wir auf der Höhe der fachlichen Standards? Fördern wir ihre Autonomie? Beziehen wir die spirituelle Dimension mit ein?" Wenn wir uns redlich bemühen, diesen Anforderungen gerecht zu werden, ist mehr nicht zu verlangen. Eine Sichtweise, die entlastet und Raum schafft für die Zusammenarbeit von Christen untereinander und mit allen Menschen guten Willens."

Auch für einen Großteil unserer Mitarbeitenden spielt Religion im Alltag keine große Rolle. Kann man so glaubwürdig handeln?

"In der Frage versteckt sich ein altes Problem: Ist eine Einrichtung per Definition nur dann eine katholische Einrichtung, wenn die Mehrheit der Mitarbeitenden den kirchlichen Auftrag als Teil ihrer persönlichen Glaubensgeschichte begreift? Das kann ich nur mit einem klaren Nein beantworten! Der Dienst am Menschen ist das beste Zeugnis für den Gott, an den wir glauben und der uns zur Liebe antreibt, wie es in der Enzyklika Deus caritas est heißt. Die christliche Identität muss gelebt werden im Führungsverhalten der Verantwortlichen und in der Empathie, die hilfesuchenden Menschen entgegengebracht wird. Sie zeigt sich darin, dass Mitarbeitende dabei unterstützt werden, religiöse Kompetenzen in ihre Arbeit mit Hilfesuchenden und den Kollegen einzubringen. Organisationen, in denen die Bemühung nicht erlischt, dies zu leisten, laden das Problem der Kirchlichkeit nicht einfach bei ihren Mitarbeitenden ab, über deren vermeintlich oder real fehlende kirchliche Sozialisation man dann trefflich klagen kann. So bleibt die Caritas anschlussfähig an eine plurale Gesellschaft, ohne den Kern ihrer Identität aufzugeben. Eine einladende Haltung, die es leichter machen wird, Vertrauen aufzubauen und als glaubwürdig zu gelten."

Trotz dieser Offenheit zögern viele beim Gedanken an einen kirchlichen Arbeitgeber. Wie erklären Sie sich das?

"Das hängt in starker Weise davon ab, wie junge Menschen die Kirche und die Caritas sehen. Der Skandal des sexuellen Missbrauchs und insbesondere der Skandal seiner langen Vertuschung, richten Schäden an, die wir heute noch gar nicht einschätzen können. Dazu kommt die jahrelange Kündigung von wiederverheiratet Geschiedenen, ein Problem, das nun zum Glück weitgehend abgeräumt ist. Es bewegt sich vieles in der Kirche, aber vieles zu langsam, um in einer kritischen Öffentlichkeit überhaupt wahrgenommen zu werden, Und zudem bleiben die alten Bilder in den Köpfen. Nur wenn wir zu einem reflektierten Umgang mit den kritischen Fragestellungen finden, ändern wir das Bild wieder."

Wie sieht glaubwürdiges wirtschaftliches Handeln bei der Erbringung sozialer Dienstleistungen aus?

"Zum glaubwürdigen Handeln unter kritischer Beobachtung gehört der verantwortete Umgang mit Geld und Ressourcen. Er macht immer wieder unternehmerische Entscheidungen erforderlich, die nicht unbedingt in das Bild der Öffentlichkeit passen. Dabei bewegen sich die Träger der Caritas in einem Spannungsfeld zwischen moralischer Erwartung und wirtschaftlichen Herausforderungen: Arbeiten Träger nicht wirtschaftlich, werden sie kritisiert. Treffen sie Entscheidungen, um dem entgegenzuwirken, können sie ebenfalls mit Kritik rechnen. Es bleibt nur, immer wieder zu prüfen, ob und wie die Caritas wirkt, damit sie das in ihren Kräften stehende bewirken kann, um für Menschen da zu sein. Das ist für mich ein wesentlicher Bestandteil der Glaubwürdigkeit.
Der Auftrag der Caritas, entschieden für Menschen einzutreten und dabei glaubwürdig zu handeln, geht über die Grenzen der Dienste und Einrichtungen hinaus. Kirche, Caritas und auch die Barmherzigen Brüder Trier müssen sich als Akteure im politischen Diskurs begreifen. Sie sind eine Stimme für Menschen, die selbst keine Stimme haben und sie können sie zudem dabei unterstützen, ihre Stimme auch selbst zu erheben."

Foto: BBT-Gruppe/Julia Steinbrecht

 
 

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