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26.03.2016 / aktualisiert 16.12.2020

Wo Not auf Hoffnung trifft

In der Notaufnahme kommt alles zusammen: von der harmlosen Verletzung bis zur lebensbedrohlichen Erkrankung. Binnen kürzester Zeit müssen Ärzte und Pfleger die Lage richtig einschätzen und mit der Behandlung beginnen. Ein 24-Stunden-Betrieb.

Wie kritisch ist der Zustand? Ärzte müssen in der Notaufnahme schnell und sicher entscheiden.

Monoton piept das Gerät zur Überwachung der Herzfrequenzen mehrerer Patienten. Telefone klingeln. Schritte hallen. "Die Acht ist frei", ruft eine Krankenschwester ihrer Kollegin zu. Diese schiebt ein Bett mit einer Patientin durch den Flur, ein vorbeieilender Arzt macht rasch Platz. Es ist 12 Uhr, ein ganz normaler Mittwoch im Zentrum für Notaufnahme im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Trier. Ruhig sitzt ein alter Mann inmitten dieser regen Betriebsamkeit. Über einen Schlauch strömt zusätzlicher Sauerstoff in seine Nase. Er wartet geduldig auf eine Ultraschalluntersuchung, Blut wurde ihm bereits abgenommen. Er ist wegen der Folgen eines Leistenbruchs hier. Sieben Ärzte, zwölf Pflegekräfte und 53 Patienten sind gerade auf der Station. 53 Menschen, die durch ein unvorhergesehenes Ereignis, einen Notfall, aus ihrem Alltag gerissen worden sind. Unter ihnen sind leicht Verletzte und Menschen, die um ihr Leben ringen. "Notaufnahme", so erklärt es der Ärztliche Leiter Dr. Eckart Wetzel, "heißt, medizinisch wie sozial Not aufnehmen. Hier trifft Angst auf Hoffnung, Schmerz auf Heilung, Jung auf Alt, Belangloses auf Not und Elend, Freude auf Trauer, Leben auf Tod."

Wie kritisch ist der Zustand?

Die Trenntür zur Liegendeinfahrt öffnet sich, gerade ist ein Rettungswagen angekommen. Rettungssanitäter fahren eine Liege in den Schockraum direkt nebenan. Dort wartet bereits ein Team aus ärztlichen und pflegerischen Mitarbeitenden der Unfallchirurgie und Anästhesie, die über einen Ringruf von der Ankunft eines Unfallpatienten benachrichtigt worden sind. Der Notarzt informiert das Schockraumteam, die Tür schließt sich. Etwa zehn Minuten später kommen die Rettungssanitäter heraus, sie fahren zum nächsten Einsatz. Das Team im Schockraum hat mit der Sicherung der lebenswichtigen Körperfunktionen begonnen und wird die nötigen Untersuchungen durchführen, um schnellstmöglich alle lebensbedrohlichen Verletzungen zu erkennen und behandeln zu können. "Heute früh war viel los - aber man muss die Nerven behalten. Das löst sich alles wieder auf", erzählt Dr. Barbara Dudew. Mit ihrem Lächeln strahlt die Oberärztin Ruhe aus. Die Fachärztin für Anästhesie war auch schon viele Jahre auf der Intensivstation und als Notärztin tätig und ist von ganzem Herzen Notfallmedizinerin. "Nicht jeder Arzt ist für dieses Arbeitsfeld geschaffen", sagt sie. "Man muss sehr schnell  Entscheidungen treffen, in welche Richtung die Behandlung gehen soll. Viele Patienten werden parallel behandelt und man kann sich nicht kontinuierlich um den Einzelnen kümmern", bedauert sie. Dennoch sei es schön, einen zunächst kritisch kranken Patienten in einem verbesserten Allgemeinzustand in die Obhut der Kollegen auf die Station zu verlegen.

„Für uns ist entscheidend, dass alle, die zu uns kommen, sich erst mal in einer Notlage befinden – sei es, dass sie das persönlich so empfinden oder dass dies auch tatsächlich so ist – ernst genommen wird jeder Patient.“

Dr. Wetzel und Claudia Neumes, die Pflegerische Leiterin, gehören wie viele andere Mitarbeiter seit vielen Jahren zum Team des Zentrums, das 2005 eingerichtet wurde. Zuvor hatte jede Abteilung des Hauses eine eigene Anlaufstelle für Notfallpatienten. Diese wurden an verschiedenen Orten behandelt, es gab viele Transportwege und Verzögerungen, insbesondere, wenn ein Patient zunächst in der "falschen" Fachabteilung aufgenommen wurde. Im Zentrum für Notaufnahme werden die Patienten hingegen von Ärzten verschiedener Abteilungen untersucht und behandelt, ein Vorteil gerade auch bei älteren Menschen, die häufig unter mehreren Erkrankungen leiden.

Eingespieltes Team

Rund 60 Pflegekräfte arbeiten hier mit einigen fest eingeteilten Medizinern verschiedener Fachrichtungen sowie vielen Ärzten im Bereitschaftsdienst aus den Abteilungen Innere Medizin, Unfallchirurgie, Neurologie, Neurochirurgie, Urologie und Orthopädie als eingespieltes Team zusammen. Wartezeiten lassen sich dennoch nicht vermeiden. So gibt es Patienten, die eigentlich ein Fall für den Hausarzt oder ärztlichen Bereitschaftsdienst wären. Sie kommen zur Notaufnahme, ohne dass ein medizinischer Notfall vorliegt. "Für uns ist entscheidend, dass alle, die zu uns kommen, sich erst mal in einer Notlage befinden - sei es, dass sie das persönlich so empfinden oder dass dies auch tatsächlich so ist - ernst genommen wird jeder Patient", sagt Dr. Wetzel.

Dringlichkeit geht vor

Patienten kommen entweder zu Fuß oder per Rettungswagen in die Notaufnahme, einige allein, andere in Begleitung Angehöriger. Nach der Anmeldung erfolgt umgehend eine Dringlichkeitseinschätzung. Geschultes Pflegepersonal befragt die Patienten, nimmt die Hauptbeschwerden auf, misst Vitalzeichen wie Blutdruck, Puls, Sauerstoffsättigung und Temperatur und ordnet sie nach einem international standardisierten System, dem Manchester-Triage-System, ein. Es gibt fünf Dringlichkeitsstufen, die einem Ampelsystem entsprechen. Rot steht für lebensbedrohlich, blau bedeutet "nicht dringend", weshalb andere Patienten vorher versorgt werden können. Anschließend erfolgt die Behandlung mit der Erhebung der Krankheitsgeschichte, der klinischen Untersuchung, der Durchführung notwendiger Maßnahmen und dem Beginn der Therapie. Rund um die Uhr stehen hochtechnologische Untersuchungsmöglichkeiten wie Ultraschall oder Computertomografie zur Verfügung. Je nach Krankheitsbild werden weitere Fachdisziplinen des Hauses einbezogen. Ist nach der Akutversorgung eine stationäre Weiterbehandlung oder Überwachung erforderlich, wird der Patient in die entsprechende Fachabteilung oder die Notaufnahmestation verlegt. Ansonsten wird er mit einem Arztbrief entlassen und erhält, falls notwendig, einen Termin zur weiteren Diagnostik und Behandlung.

Weggeschickt wird niemand, doch Patienten mit dringenderen Beschwerden werden zuerst behandelt Manche Ungeduldige, so berichtet Claudia Neumes, erwarteten sofort nach einer Blutabnahme eine Diagnose. "Bis ein Ergebnis vorliegt, kann es aber anderthalb Stunden dauern." Zudem kommen meist mehrere Patienten auf einmal an. "Wenn ein Unfallpatient in den Schockraum gebracht wird, müssen andere Patienten, bei denen es nicht so dringlich ist, unter Umständen warten", sagt sie. Bestimmte Symptome erfordern Untersuchungen verschiedener Fachabteilungen. Auch wenn ein Aufenthalt mehrere Stunden dauern könne - bei niedergelassenen Fachärzten wären diese Untersuchungen eine Aufgabe für etliche Wochen.

Ein gutes Gefühl, wenn es den Patienten wieder besser geht

"Eine Notaufnahme ist nicht planbar", sagt Claudia Neumes am Ende des Tages. "Wenn ich nach Dienstende zu Fuß nach Hause gehe, kann ich ganz gut abschalten." Meist mit einem guten Gefühl: Wenn es den Patienten wieder besser gehe, wenn sie die Notaufnahme verließen, dann entschädige das für vieles. Länger wird es heute für Dr. Wetzel. Um 19 Uhr wird eine 85-jährige Frau mit dem Rettungshubschrauber eingeflogen. Verdacht auf einen Riss in der Hauptschlagader. Später bilanziert der Kardiologe: "Über den gesamten Tag haben wir mehr als 100 Patienten behandelt." 100 von etwa 33.000 Menschen im Jahr - sehr verschiedene Erkrankungen, die auch immer mit einem Schicksal verbunden sind: Oberärztin Dr. Dudew erinnert sich an Situationen, die auch belastend sein können. Alle Facetten des Lebens finden sich hier - vom Glück bis zur Trauer - und manchmal nur eine Tür voneinander getrennt.

TEXT: MICHAEL MERTEN | FOTOS: HARALD OPPITZ

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