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20.03.2020 / aktualisiert 23.09.2020

Damit das Blut wieder fließen kann

Viele, vor allem ältere Menschen, leiden unter der sogenannten Schaufensterkrankheit: Weil die Beine beim Gehen schmerzen, bleiben sie häufig stehen, zum Beispiel vor Schaufenstern. Der Hauptgrund für die Schmerzen ist die Verengung oder der Verschluss von Arterien. Das kann lebensbedrohliche Folgen haben. Das Zentrum für Gefäßmedizin hat sich auf die Behandlung der Erkrankung spezialisiert. Chirurgen, Radiologen und Internisten entwickeln zusammen die Therapie für jeden einzelnen Patienten.

Rund 100.000 Kilometer beträgt die Länge aller Blutgefäße, also Kapillaren, Venen und Arterien eines Menschen - damit würden sie fast zweieinhalbmal um die Erde reichen. Über dieses weitverzweigte Netz werden Organe und Zellen mit Sauerstoff, Nährstoffen und anderem mehr versorgt. Bis zu 10.000 Liter Blut pumpt das Herz täglich in die Arterien. Die Blutgefäße sind die Transportwege im menschlichen Körper. Doch wenn diese verengt oder gar verschlossen sind, kann der Körper nicht mehr richtig funktionieren, und die Gesundheit ist in Gefahr. 

"Nach rund 200 bis 300 Metern musste ich stehen bleiben, ich verspürte starke Schmerzen in den Ober- und Unterschenkeln", erinnert sich Ralf Kreikenbaum an seinen Zustand vor rund neun Jahren. Im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Trier diagnostizierten die Ärzte eine sogenannte periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) bei dem Rentner. Ursache ist die sogenannte Arteriosklerose, also eine Verkalkung der Arterien. Umgangssprachlich wird die pAVK auch Schaufensterkrankheit genannt, weil die Betroffenen beim Gehen schon nach kurzen Strecken starke Schmerzen verspüren und Pausen einlegen müssen. Viele kaschieren die Beschwerden, indem sie scheinbar interessiert die Auslagen in Schaufenstern betrachten, bevor sie weitergehen können.

50.000 Amputationen pro Jahr

Was zunächst harmlos klingen mag, ist eine weitverbreitete und ernste Erkrankung. Laut der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG) leidet jeder fünfte über 65-Jährige an dieser Durchblutungsstörung in den Beinen. Rund 50.000 Menschen in Deutschland verlieren nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Angiologie Gesellschaft für Gefäßmedizin e.V. jedes Jahr ein Körperteil, meist Fuß oder Unterschenkel, aufgrund der pAVK. Dabei können laut Experten viele Amputationen vermieden werden, wenn Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft würden oder ausreichend nach der Ursache für die Durchblutungsstörung gesucht werde. Was erschwerend hinzukommt: Die Arteriosklerose ist nicht auf die Gliedmaßen beschränkt, sondern kann sämtliche Gefäße des Körpers treffen und damit Herzkrankheiten oder Schlaganfälle verursachen. Eine periphere arterielle Verschlusskrankheit verringert aus diesem Grund die Lebenserwartung durchschnittlich um etwa zehn Jahre. 

Das Zentrum für Gefäßmedizin im Brüderkrankhaus Trier hat sich auf die Behandlung dieser Erkrankung spezialisiert. Im Zentrum kooperieren Gefäßchirurgen, Angiologen - das sind Internisten mit einer speziellen Fortbildung - sowie Radiologen, die sich auf Katheterbehandlungen spezialisiert haben. "Wir arbeiten in diesem Zentrum interdisziplinär, weil der Patient an einer Durchblutungsstörung leidet, die meist verschiedene Ursachen hat", erklärt Dr. Christina Schneider, Oberärztin der Abteilung für Allgemein-, Gefäß- und Viszeralchirurgie. Faktoren könnten beispielsweise etwa Diabetes oder Bluthochdruck sein - und diese müssten auch behandelt werden. "Wir behandeln nicht nur isoliert den Gefäßverschluss, sondern den ganzen Patienten", so die erfahrene Oberärztin, die das Zentrum mit aufgebaut hat.

Gehen unter Schmerzen

Wie Ralf Kreikenbaum können die meisten Patienten nur kurze Strecken laufen, bis die Beine schmerzen. "Die Schmerzen entstehen durch Verengungen oder Verschlüsse in der Schlagader. Dadurch wird die Muskulatur bei der Bewegung nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt", sagt Schneider. In der Regel verläuft die Schaufensterkrankheit schleichend über einen längeren Zeitraum. 

So auch bei Ralf Kreikenbaum. "Mit Ende 50 hat mir das Gehen zunehmend Probleme bereitet. Zunächst beim Bergauflaufen, später dann auch auf geraden Strecken", beschreibt der heute 69-Jährige. Der Rentner, der lange bei einer Bank in Luxemburg gearbeitet hat und in Konz wohnt, ging mit seinen Beschwerden zum Hausarzt, der ihn ins Brüderkrankenhaus überwies.

Ralf Kreikenbaum leidet an einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit, auch Schaufensterkrankheit genannt.

Ultraschallkontrolle

Im Zentrum für Gefäßmedizin wurde Ralf Kreikenbaum nach der Anamnese, dem Arztgespräch, und ersten Untersuchungen in die Sonografie geschickt. "Die führende Untersuchungsart, um einen Gefäßverschluss zu identifizieren, ist primär der Ultraschall", erklärt Dr. Elmar Mertiny, Facharzt für Innere Medizin und Angiologie im Zentrum für Radiologie, Neuroradiologie, Sonographie und Nuklearmedizin. 

Mithilfe moderner Ultraschallgeräte lasse sich der Zustand der Blutgfäße sowie die Fließgeschwindigkeit gut kontrollieren. "Mit dem Ultraschall können wir die Frage beantworten: Fließt durch die Engstelle überhaupt noch Blut? Denn ein Gefäß kann bis zu 50 Prozent eingeengt sein, was aber noch keine Beschwerden zur Folge hat", so der Leitende Arzt weiter. 

Mithilfe des Ultraschalls stellten die Ärzte bei Ralf Kreikenbaum eine starke Durchblutungsstörung in den Arterien der Leisten und Beine auf beiden Seiten fest. "Die Diagnose war ziemlich niederschmetternd. Ich war gerade in Rente gegangen und wollte die Zeit zusammen mit meiner Frau genießen", erzählt Kreikenbaum. Zudem machte er sich selbst Vorwürfe: "Ich hatte mein Leben lang geraucht." Sofort nach der Diagnose hörte er damit auf.

Das Team des Zentrums für Radiologie, Neuroradiologie, Sonographie und
Nuklearmedizin um Dr. Holger Grell kann die Engstelle mittels Ballon oder
Stent erweitern.

Mehr Lebensqualität

Rauchen gilt als einer der Hauptrisikofaktoren für die Arteriosklerose, die Ursache für den Gefäßverschluss. Später stellte sich zudem heraus, dass der Rentner an einer Stoffwechselerkrankung leidet, die zu einem erhöhten Cholesterinspiegel führt. Auch solche chronischen Erkrankungen steigern das Risiko für die Schaufensterkrankheit. Heilen lässt sich die Arteriosklerose nicht, sie ist eine chronische Krankheit. "Wir können dem Patienten aber mehr Lebensqualität verschaffen, indem wir seine Mobilität erhöhen und sein Bein erhalten", erklärt Oberärztin Dr. Schneider. Nach der Diagnose entwickeln Chirur gen, Internisten und Radiologen gemeinsam das Therapiekonzept für jeden einzelnen Patienten. "Der Vorteil ist, dass wir den Patienten mit mehreren Fachdisziplinen behandeln und so die beste Therapie für ihn auswählen können", so Schneider weiter.

Viele Möglichkeiten

Unterschieden wird zwischen konservativer, interventioneller und operativer Behandlung. Zu Maßnahmen der konservativen Behandlung gehören beispielsweise Gehtraining oder die richtige Einstellung der Medikation bei chronischen Erkrankungen. Die interventionelle Therapie führen speziell ausgebildete Radiologen durch. "Eine sehr häufige Therapie ist die Katheteruntersuchung mit nachfolgender Möglichkeit der Erweiterung der Engstelle, entweder mittels Ballons oder Stents", erläutert der Geschäftsführende  Oberarzt Dr. Holger Grell. Zudem existieren verschiedene chirurgische Methoden, um eine Arteriosklerose zu behandeln, darunter auch das Bypass-Verfahren. Mit einer körpereigenen Vene oder auch mit Kunststoffmaterialien schaffen Chirurgen eine künstliche Umgehung eines verengten Blutgefäßes. "Ein großer Vorteil ist die 2-Ebenen-Flachdetektor-Angiographie- Anlage (Angio-OP), die es so bisher nur an wenigen Standorten in Europa gibt. Sie ermöglicht eine Gefäßdarstellung mit höchster Qualität bei zugleich geringer Strahlenbelastung für den Patienten", beschreibt Chefarzt Professor Dr. Winfried Willinek. 

Die Behandlung eines Patienten kann dabei aus mehreren dieser Therapieverfahren bestehen. "Häufig sind unterschiedliche Therapieverfahren zu verschiedenen Zeitpunkten erforderlich", erklärt Dr. Schneider. Zudem würden viele Patienten wiederkommen, da es sich bei der Arteriosklerose um eine chronische Erkrankung handelt.

Erfolgreiche Behandlung

Bei Ralf Kreikenbaum war die Gefäßverengung so weit fortgeschritten, dass sie operativ behandelt werden musste. Im Jahr 2011 wurde er am linken Bein operiert, 2012 am rechten. Danach ging es ihm deutlich besser, erinnert er sich. Ohne Schmerzen konnte er wieder längere Strecken laufen. "Der Erfolg der  Eingriffe hat mich motiviert. Ich habe gemerkt, das bringt was", erzählt er. Seitdem verzichtet er nicht nur auf das Rauchen, sondern nimmt auch weniger tierische Fette zu sich. Und vor allem bewegt er sich viel. "Laufen ist bekanntermaßen das Beste", erklärt Ralf Kreikenbaum mit Überzeugung. 

Trotz aller Bemühungen machte sich die Schaufensterkrankheit nach rund zwei Jahren erneut bemerkbar. Wieder führte die Arteriosklerose zu Verengungen an strategischen Stellen in den Blutgefäßen. Die Ärzte im Zentrum für Gefäßmedizin entwickelten gemeinsam eine Behandlung mit dem Fokus auf interventionelle Therapie. Mittels Katheterbehandlung erweiterte der Radiologe stark verengte Gefäßabschnitte und setzte dort Stents. "Schon einen Tag nach dem Eingriff ging das Laufen deutlich besser", berichtet Kreikenbaum.

Regelmäßige Kontrolle

Doch waren in der Folgezeit auch andere Arterienabschnitte von der pAVK betroffen. Zwischen 2014 und 2019 unterzog er sich mehreren interventionellen Eingriffen, in denen ihm weitere Stents eingesetzt wurden. "Ohne die Hilfe der Ärzte könnte ich heute nicht mehr laufen", ist sich der 69-Jährige sicher, der regelmäßig zur Kontrolle geht. 

Obwohl er weiß, dass die Erkrankung nicht heilbar ist, hat er seinen Mut nicht verloren. Sein erklärtes Ziel für die Zukunft: "Zusammen mit meiner Frau will ich stundenlange Spaziergänge machen." Und dafür braucht er eine gute Kondition und Arterien, die seine Beine ausreichend versorgen.


Text: Joris Hielscher | Fotos: André Loessel

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