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08.10.2015 / aktualisiert 03.12.2020

Begleiter in Grenzsituationen

Mit einem Klinikseelsorger unterwegs

Es geht manchmal um Leben und Tod im Krankenhaus. Und auch wer sich nur für eine "Routine­OP" in die Klinik begibt, kommt mitunter ins Nachdenken: über Gott, den Sinn einer Krankheit, den eigenen Lebensweg. Wie gut, wenn dann jemand von der Klinikseelsorge zu Besuch anklopft.

Nein, über sich möchte Silvia Hefter nicht sprechen. Die Operation ist doch gut verlaufen, und Gewissheit, dass es kein Krebs war, hat sie jetzt auch. Über den Besuch von Pfarrer Martin Saurbier an ihrem Krankenbett freut sie sich dennoch. Und ja, Krebs ist auch ein Thema im Gespräch mit dem Klinikseelsorger. Zwei Menschen aus ihrem näheren Umfeld sind im zurückliegenden Vierteljahr an der heimtückischen Krankheit verstorben, darunter ein neunjähriges Mädchen. Wie Gott das zulassen kann, treibt die gläubige Mittvierzigerin seitdem um. Dass der Geistliche diese Frage nicht beantworten kann, weiß die Patientin auch. "Aber es tut gut, dass ich mich ihm anvertrauen kann mit meinen Ängsten und Sorgen."

Seit 15 Jahren arbeitet Pfarrer Saurbier in der Krankenhausseelsorge, seit 2008 leitet er die Klinikseelsorge am Katholischen Klinikum Koblenz · Montabaur. Besuche am Patientenbett sind das Herzstück seiner Arbeit. "Ein Tag, an dem mich die Verwaltungsarbeit davon abhält, ist für mich ein verlorener Tag", gesteht der 58-Jährige. Seine Aufgabe sieht Saurbier vor allem im Zuhören, missionarischer Eifer ist ihm fern: "Ich falle nie mit dem lieben Gott ins Haus." Dennoch erlebt der Geistliche, dass Menschen im Krankenhaus für Seelsorge empfänglicher sind. Dass er mit den Worten "Mit dem Verein bin ich fertig" vor die Tür gesetzt wird, komme in seiner täglichen Arbeit eher selten vor. "Die meisten sind dann doch dankbar für ein paar freundliche Worte." Ihn selbst fasziniert vor allem die Intensität seiner Arbeit. "Wir haben es im Krankenhaus ja oft mit sehr schwierigen Situationen zu tun. Menschen in solch existenziellen Momenten beistehen zu können, empfinde ich als herausfordernd und erfüllend zugleich", betont der Geistliche mit den wachen Augen und der sanft-sonoren Stimme.

Ökumenisches Team

Allzu lange kann Pfarrer Saurbier aber an diesem Tag nicht auf der gynäkologischen Station bleiben denn für 10.30 Uhr steht eine Teamsitzung im Kalender. Im Weggehen fragt er noch bei der Stationsschwester nach, welche Patientinnen sich wohl besonders über seinen Besuch freuen würden, dann muss er auch schon weiter ins Besprechungszimmer. Dort wird Saurbier bereits erwartet. Mit am Tisch sitzen heute sein evangelischer Kollege Pfarrer Martin Pietsch, Pastoralreferentin Rita Krebsbach und Schwester Kunibalda Becker. Thema ist der Gedächtnisgottesdienst für verstorbene Patienten, der am Marienhof einmal im Vierteljahr gefeiert wird. Fast alle am Tisch wünschen sich andere Gebete.

Der Gedächtnisgottesdienst ist ökumenisch gehalten - so wie die Oasentage für Mitarbeiter oder die Adventsfeiern an den verschiedenen Standorten. Ökumene wird groß  geschrieben in der Klinikseelsorge in Koblenz und Montabaur. "Wir besprechen alles, was akut unter den Nägeln brennt", erzählt Pfarrer Pietsch. Dass beide Geistliche auf denselben Vornamen hören, müsse man ja als Auftrag zur Zusammenarbeit verstehen, ergänzt Kollege Saurbier und schmunzelt.

Positive Energie und schweres Leid

Unterwegs mit dem Klinikseelsorger - Begleiter in Grenzsituationen

So etwas wie die Dienstälteste am Besprechungstisch ist Schwester Kunibalda. Seit 50 Jahren ist die Ordensfrau am Marienhof tätig. Zunächst war sie Krankenschwester, ehe sie nach einer schweren Erkrankung in die Seelsorge wechselte. "Das mache ich jetzt auch schon fast ein Vierteljahrhundert lang", erzählt sie. Ihre 79 Jahre sieht man der agilen Frau mit dem schalkhaften Lächeln nicht an - und so kann sie sich auch vorstellen, ihren Dienst noch ein paar Jahre lang zu versehen. "Falls mich die Kollegen noch ertragen", sagt sie und zwinkert.

Zwei Aufgaben hat die Heilig-Geist-Schwester in der Klinikseelsorge übernommen: Jeden Morgen bringt sie den Müttern auf der Geburtsstation einen bronzenen Schutzengel für die Neugeborenen, anschließend besucht sie Patienten auf der Intensivstation. Diese Reihenfolge hat sich Schwester Kunibalda bewusst ausgesucht. "Mit der positiven Energie, die mir die Neugeborenen geben, ertrage ich das Leid auf der Intensiv viel leichter."

Warum gibt es überhaupt Seelsorger im Krankenhaus?

Die Krankenhausseelsorge ist in Deutschland durch das Grundgesetz abgesichert. Für die BBT-Gruppe gehört die Begleitung der Patienten, Bewohner und Klienten durch die Seelsorge zum Kern des Unternehmensauftrags. Seelsorgerinnen und Seelsorger  werden  den Krankenhäusern  in der Regel durch die Bistümer und Landeskirchen zur Verfügung gestellt. Die Einrichtungen der BBT-Gruppe übernehmen einen bedeutenden Teil ihrer Finanzierung. In der BBT-Gruppe arbeiten 36 Seelsorgerinnen und Seelsorger. Sie werden oft durch Ehrenamtliche und Mitarbeitende unterstützt, die das spirituelle Leben der Einrichtungen mitgestalten.

Ein Baby steht an diesem Vormittag noch auf ihrem Laufzettel. Die kleine Ida ist am Vorabend per Kaiserschnitt auf die Welt gekommen. Angesichts eines Gewichts von fast zehn Pfund hatten die Ärzte dringend von einer natürlichen Geburt abgeraten. Mutter Julia sieht man die Strapazen der Operation noch an - über den kleinen Schutzengel freut sie sich sehr. "Dass wir so ein Geschenk bekommen, zeigt, dass unsere Tochter etwas ganz Besonderes  ist", sagt sie lächelnd. Das Engelchen werde im Kinderzimmer einen festen Platz bekommen, erzählt die junge Mutter noch, ehe sich Ida lautstark bemerkbar macht. "Die Kleine hat wohl Hunger", meint Schwester Kunibalda und zieht sich rücksichtsvoll zurück.

Glaubensfragen

Menschen in solch existenziellen Situationen bei­stehen zu können, empfinde ich als herausfordernd und erfüllend zugleich.

Auch Pfarrer Saurbier hat sich noch einmal auf die Station begeben. Eine Brustkrebspatientin hat signalisiert, dass sie sich über einen Besuch des Seelsorgers freuen würde. Doch auch die ältere Dame möchte gar nicht über sich sprechen. Vielmehr macht ihr Sorge, dass ihr Mann ihren Glauben nicht teilt. Das Vertrauen in die Auferstehung erleichtere ihr die Beschäftigung mit dem Thema Tod. Wie aber soll sie mit ihrem Mann darüber sprechen, dem genau dieses Vertrauen fehle? Vielleicht könne er ja noch einmal kommen, wenn auch ihr Mann da ist, schlägt der Seelsorger vor.

Immer wieder kommt es vor, dass das Team auch mit Patienten ins Gespräch kommt, die anderen Religionen angehören oder aus der Kirche ausgetreten sind. "Auch sie wissen unsere einfache menschliche Zuwendung und Hilfe - gerade in Extremsituationen - zu schätzen und nehmen diese gerne an", erzählt Pfarrer Saurbier. "Auf Wunsch vermitteln wir zum Beispiel auch den Kontakt zu einem islamischen Geistlichen oder zu einem Rabbiner."

Den Nachmittag verbringt Pfarrer Saurbier am Schreibtisch. Unter anderem muss eine ethische Fallbesprechung vorbereitet werden. Behandelt wird der Fall eines Schlaganfallpatienten, der nicht mehr schlucken kann. Soll er künftig mit einer durch die Bauchdecke gelegten Magensonde ernährt werden? Oder ist das nicht ein Wink, den Mann in Frieden gehen zu lassen? "In der ethischen Fallbesprechung werden viele Stimmen berücksichtigt. Das ist im Ablauf so festgelegt", weiß der Klinikseelsorger. Ärzte sind darunter, Pflegekräfte und eine Mitarbeiterin des Sozialdienstes. Und auch er selbst wird gefragt werden, schließlich hatte er Kontakt zu einigen Mitgliedern der Familie. Die Intensität, das Existenzielle, das Pfarrer Saurbier so sehr an seinem Beruf fasziniert, lassen ihn auch abseits des Krankenbetts nicht los.

TEXT: ANDREAS LASKA | FOTOS: ELISABETH SCHOMAKER

 
 

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