Rudi Wartha ist nierenkrank. Nach langen Jahren der Dialyse erhielt er im Jahr 2010 eine Spenderniere. Von seinen Träumen hat er sich durch seine Krankheit nie abhalten lassen. Ganz so wie im Songtext seines Idols Udo Lindenberg: "Ich mach mein Ding - egal was die andern sagen!"
Hut, Sonnenbrille, Anzug. Dazu die unverwechselbare Stimme - wer Rudi Wartha auf der Bühne erlebt, wird kaum glauben, dass es sich hier nicht um den echten Udo Lindenberg handelt. "Hinterm Horizont geht's weiter", singt Wartha ins Mikrofon, bewegt sich wie sein großes Vorbild und bringt in bis zu einer Stunde Auftrittszeit noch so manch weiteren Klassiker des Altmeisters in Udo-typischer Manier auf die Bühne. Wer Rudi Wartha hier als "Panik-Paten" - so sein Künstlername - sieht, wird aber ebenso wenig vermuten, dass er nicht ganz gesund ist. Rudi Wartha blickt auf eine lange Leidensgeschichte zurück, an deren Ende eine neue Niere stand.
"Ich habe früher viel Jugendarbeit gemacht", erinnert sich Rudi Wartha an die Zeit vor seiner Erkrankung. Im Jahr 1999 war er auf einer Jugendfreizeit in Hamburg. "Da ging es mir nicht gut", erzählt er. "Drei Tage vor Ende bin ich zusammengebrochen."
Irgendwie riss er sich dann noch zusammen, ging nach der Rückkehr aber direkt zum Arzt. "Der hat mich nicht so recht ernst genommen", so Wartha. Auf seine Aussage, sehr schlapp zu sein, meinte der Arzt: "Du machst halt viel." Bei der Untersuchung fielen erhöhte Eiweißwerte im Urin auf, was zu einer weiteren ärztlichen Untersuchung führte. Nach einem Ultraschall wurde er zum Nierenfunktionstest in das Caritas-Krankenhaus in Bad Mergentheim eingewiesen. Die Diagnose: Niereninsuffizienz - Rudi Warthas Nieren arbeiten nicht richtig. "Das war natürlich ein Schock", erinnert er sich. "Ich war damals gerade einmal 30 Jahre alt."
Zunächst wurde versucht, die Nierenfunktion zu erhalten. "Vier Jahre lang konnte ich die Dialyse durch eine spezielle Ernährung hinauszögern", so Wartha. Wenig Eiweiß, Kalzium, Phosphat oder Natrium - das funktionierte bis zum Jahr 2003. "Doch dann ging nichts mehr. Die Niere hat versagt." Rudi Wartha musste ins Krankenhaus. "Auf dem Krankenzimmer bin ich dann zusammengebrochen. Da dachte ich, mein Leben sei vorbei." Eine Notdialyse rettete sein Leben. Dabei wurde der Zugang - vorübergehend - an einer Ader am Hals gelegt, das Blut gereinigt. Doch es war klar: Das Leben von Rudi Wartha hatte sich grundlegend gewandelt.
Doch Rudi Wartha gab nicht auf. "Ich wollte leben. Ich wollte meine Träume wahr machen", erzählt er. Schon lange war er Udo-Lindenberg-Fan, reiste ihm auf Tourneen hinterher und lernte sein großes Idol im Jahr 2003 tatsächlich selbst kennen. Der Musiker holte Wartha bei einem Konzert einmal auf die Bühne, seither entwickelte sich eine Freundschaft. Das sollte nun vorbei sein?
In der Nephrologischen Schwerpunktklinik im Caritas-Krankenhaus in Bad Mergentheim fand man eine Lösung: die sogenannte Bauchfelldialyse. Dabei wird eine Dialyseflüssigkeit - ein Dialysat - in den Bauchraum geleitet, mit deren Hilfe das Bauchfell zur Filterung und Reinigung des Blutes genutzt werden kann. Viermal am Tag muss das Dialysat ausgetauscht werden. "Im Mittel bis zu sechs Jahre ist diese Art der Dialyse möglich", erklärt Chefarzt Dr. Jochen Selbach. Für Rudi Wartha bedeutete die Bauchfelldialyse die notwendige Freiheit. Er kaufte sich einen alten VW-Bus und tourte mit diesem "Panik-Mobil" Udo Lindenberg hinterher, für den er bereits zur festen Besetzung bei den Konzerten zählte. Wartha: "Ich habe morgens im Hotel dialysiert, mittags im VW-Bus auf der Autobahn, dann nach dem Soundcheck am frühen Abend, und nachts um ein oder zwei Uhr, wenn ich wieder im Hotel war." In der Zwischenzeit stand er mit Udo Lindenberg auf der Bühne, beispielsweise als alter Mann verkleidet für den Song "Der Greis ist heiß". Und wenn gerade keine Tournee anstand? "Dann war ich angeln, Ski fahren und habe meine Träume ausgelebt."
Bei der Bauchfelldialyse wird eine Dialyseflüssigkeit (Dialysat) in den Bauchraum geleitet. Durch den chemischen Prozess der Osmose dient das Bauchfell als Filter. Das Dialysat muss viermal am Tag ausgewechselt werden.
Vier Jahre ging es Rudi Wartha mit der Bauchfelldialyse gut, doch dann war diese Möglichkeit in seinem speziellen Fall ausgereizt. Nun stand nur noch die Hämodialyse als Option zur Auswahl, bei der die Patienten alle zwei bis drei Tage in ein Dialysezentrum kommen müssen, damit eine künstliche, mechanische Niere das Blut wäscht. Im Caritas-Krankenhaus dauert die Blutwäsche bis zu sechs Stunden. Angeschlossen an die Dialysegeräte liegen die Patienten in bequemen Dialysesesseln, können fernsehen, lesen oder erzählen. "Die Dialyse ist für die Patienten zwar belastend und schränkt ihren Alltag ein, aber angesichts der tödlichen Erkrankung ermöglicht sie den Patienten zugleich ein weitgehend normales Leben", betont der Nephrologe Dr. Selbach. Über die Jahre entsteht dabei häufig eine enge Beziehung zwischen Ärzten, Pflegepersonal und den Patienten. Für Rudi Warthas Wunsch, weiter mit Udo Lindenberg auf Tour zu gehen, setzten sich alle ein und starteten eine ganz besondere Tourplanung: "Die Mitarbeiter haben mich bei der Auswahl von Dialysezentren in ganz Deutschland beraten. Alle zwei bis drei Tage bin ich dann während der Tour in ein anderes Zentrum gegangen", erklärt Wartha. "Jeder Tourtag musste da genau geplant werden."
Bei der Hämodialyse wird das Blut über einen Zugang (Shunt) in eine künstliche, mechanische Niere geleitet. Sie filtert Giftstoffe heraus. Das Verfahren wird auch Blutwäsche genannt. Die Hämodialyse muss alle zwei bis drei Tage erfolgen.
Im November 2010 kam dann für Rudi Wartha eine erlösende Nachricht. "Wir sind gerade aus der Kirche wiedergekommen, als sich das Transplantationszentrum in Heidelberg meldete", erzählt Rudi Wartha. Es gab eine Spenderniere, die genau zu seinem Profil passte. Um zehn nach sieben kam der Anruf, um 21 Uhr war er bereits in der Klinik in Heidelberg. In der Nacht wurde er operiert.
Doch auch in der Folge war nicht alles gut. Es gab Komplikationen und in den ersten Tagen arbeitete die neue Niere noch nicht richtig. Dazu war eine weitere Operation notwendig. Zudem zeigten die Medikamente starke Nebenwirkungen, die schließlich in einer Osteoporose und einer neuen Hüfte endeten. "Wenn jemand ein neues Organ empfängt, versucht das Immunsystem des Körpers, es loszuwerden. Die Patienten müssen daher starke Immunsuppressiva nehmen", so Dr. Jochen Selbach. Die Nebenwirkungen seien der Preis, den man für das neue Organ in Kauf nehmen müsse. "Dennoch ist das Transplantat die beste Therapie, durch die die Nierenpatienten die längste Lebenserwartung haben."
Wieder schenkte Udo Lindenberg Rudi Wartha in der schweren Phase nach der Transplantation neuen Lebensmut. "Udo rief mich im Krankenhaus an und fragte, wie es mir geht. Er sagte, ich müsse fit werden. Die Premiere des Hinterm-Horizont-Musicals stehe an." Der Anruf wirkte. Am 11. Januar 2011 war Wartha mit Lindenberg auf dem roten Teppich. Wartha weiß: "Udo ist ein herzensguter Mensch. Wenn alle so wären wie er, wäre die Welt noch in Ordnung."
Bei der Nierentransplantation wird die Niere, die in ihrer Funktion versagt hat, gegen ein Spenderorgan ausgetauscht. Damit die Spenderniere nicht abgestoßen wird, muss der Patient Immunsuppressiva einnehmen.
Heute führt Rudi Wartha durch die neue Niere ein sehr viel einfacheres Leben, als zur Zeit der Dialyse. Gesund ist er nicht, doch seine Lebensqualität hat sich deutlich gesteigert. Allen Gesunden rät er, dankbar und zufrieden zu sein und sich das Leben gegenseitig nicht zu schwer zu machen. "Viele regen sich über Kleinigkeiten auf und sind mit nichts zufrieden. Dabei sind wir alle nur eine bestimmte Zeit auf Erden. So sollte man immer leben."
Mit seinen Auftritten als Udo Lindenberg-Double unterstützt Rudi Wartha die Deutsche Nierenstiftung und die Udo-Lindenberg-Stiftung. "Wir brauchen die Widerspruchslösung, wie in anderen Ländern auch", findet er. Denn es gebe viel zu wenig Spenderorgane für eine viel zu lange Warteliste. Jeden Tag würden drei Patienten sterben, weil nicht genügend Spenderorgane verfügbar sind. Sogar Udo Lindenberg selbst engagiert sich dank Rudi Wartha und seines Nephrologen Dr. Jochen Selbach mittlerweile bei der Deutschen Nierenstiftung. Denn Rudi Wartha gibt zu bedenken: "Krank werden kann jeder."
Text: Christoph Lindemann | Fotos: André Loessel