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26.03.2016 / aktualisiert 03.12.2020

Wenn das Herz aus dem Drucker kommt

Ärzte simulieren operative Eingriffe an Modellen und setzen individuell angefertigte Implantate ein: Die Technologie des 3D-Drucks macht's möglich. Klingt nach Science-Fiction, ist aber Realität. Die Herstellung funktionsfähiger Organe steht bereits in den Startlöchern. Neben der Luftfahrt ist die Medizin Treiberin dieser Technologie.

3D-Drucker. Foto: fotolia

Als Scarlett und Savannah im April 2016 in den USA zur Welt kamen, war ihre Lebenserwartung gering. Die Siamesischen Zwillinge waren an Herz, Brustbein und Zwerchfell zusammengewachsen. Eine chirurgische Trennung erschien anfangs unmöglich. Erst als Ärzte der University of Florida die Herzstruktur der Zwillinge genauer untersuchten, sahen sie die Chance für eine Operation. Diese musste allerdings extrem genau geplant werden. Die Ärzte scannten die kleinen Körper der beiden mit Computertomografen. Anschließend fertigten sie auf Basis dieser Daten exakte Nachbildungen der verwachsenen Organe an. Anhand des 3D-Modells des Herzens konnten sie die komplizierte OP vorab genau simulieren. Der echte Eingriff geschah dann im Juni - erfolgreich. Drei Monate später ging es den Kindern so gut, dass sie nach Hause entlassen werden konnten.

Schicht auf Schicht

Für die Nachbildung des Herzens nutzten die Ärzte eine Technik, die dabei ist, Arbeitsweisen sowohl in der Industrie wie in der Medizin zu revolutionieren: den 3D-Druck. Dabei geht es darum, ein Werkstück nicht aus einem Material herauszufräsen, zu stanzen oder umzuformen, sondern von Grund auf neu aufzubauen. Dafür werden dünne Materialschichten nach und nach aufeinandergesetzt, sodass dreidimensionale Gegenstände entstehen. Techniker nennen das auch "additive Fertigung".

Vielfältige Verfahren

Die Verfahren und Materialien des 3D-Drucks sind vielfältig. Zum Beispiel werden beim sogenannten thermischen 3D-Druck, ähnlich einer Heißklebepistole, kleinste Tropfen eines Polymers an- und aufeinandergesetzt und ausgehärtet. Bei einer anderen Funktionsweise wird ein Kunststoff- oder Mineralpulver mit Flüssigharz überzogen und dann punktgenau von einem Laser bestrahlt. Nur dort, wo das Laserlicht hingelangt, härtet das Material aus. Soll ein Bauteil aus Metall oder Keramik per 3D-Druck entstehen, ist Laser-Sintern das Verfahren der Wahl. Der energiereiche Laserstrahl schmilzt dabei das Ausgangsmaterial punktgenau auf das "heranwachsende" Werkstück auf.

Modell eines menschlichen Herzens. Foto: fotolia

Der 3D-Druck ist bisher noch vergleichsweise langsam und teuer. Zur industriellen Massenproduktion eignet er sich nur bedingt. Doch wenn es darum geht, Einzelstücke, Kleinserien oder auch Bauteile in ausgefallenen Formen zu erstellen, die mit klassischen Herstellungsverfahren kaum zu realisieren wären, ist der 3D-Druck das Verfahren der Wahl. In den Entwicklungsabteilungen vieler Industriebetriebe, aber auch in der Produktion materialsparender Sonderbauteile - etwa in der Luftfahrt - gehören 3D-Drucker zunehmend zum Alltag.

3D-Druck in der Medizin

Ein weiterer Einsatzbereich, dem Experten eine große Zukunft verheißen, ist die Medizin. Hier kann der 3D-Druck punkten, weil damit individuelle, genau auf den Bedarf des einzelnen Patienten zugeschnittene Produkte möglich werden. Die eingangs beschriebenen Kunststoff-Organmodelle zur besseren Planung von Operationen sind ein Beispiel von vielen. In der Zahnmedizin dienen 3D-Drucker immer häufiger schon zur Herstellung von Inlays, Kronen und Prothesen. Dabei können die Maschinen teilweise schon mit den Arbeitskosten eines Zahntechnikers konkurrieren. In Zukunft könnte der 3D-Druck helfen, dass ein Zahnersatz für die Patienten wieder günstiger wird.

Implantate und Prothesen

Auch beim Knochenersatz aus Titan kommt heute teilweise schon 3D-Druck zum Einsatz. Hüftimplantate, Kieferrekonstruktionen, Schädelplatten, aber auch bewegliche Brustbeine oder Knieprothesen werden bei Bedarf additiv gefertigt. Den ersten Erfahrungen nach verbessert die hohe Passgenauigkeit häufig den Heilungserfolg und verkürzt die Rehabilitation. Die größte Verbreitungin der medizinischen Praxis genießt der 3D-Druck bisher bei der Herstellung von äußeren, besonders passgenauen Hilfsmitteln. Dazu gehören Schneide- oder Bohrschablonen für chirurgische Eingriffe genauso wie Hörgeräte oder Beinprothesen.

Natürliches Material einbinden

Besonders viel versprechen sich Medizinerin Zukunft vom sogenannten 3D-Bioprinting. Hierbei werden biologische Ausgangsmaterialien in die Druckmatrix integriert. Das Spektrum reicht vom Knochenmineral Hydroxylapatitals Grundsubstanz für einen naturähnlichen Knochenersatz bis hin zu lebenden Zellen. Das können auch Stammzellen sein, die sich erst durch Zugabe spezifischer Wachstumsfaktoren zu Leber-, Haut-, Muskel- oder Nierenzellen weiterentwickeln. Die Vision dabei ist, eines Tages komplette Organe mit körpereigenen Zellen eines Patienten nachzubilden und sogar zu transplantieren. Im Labor wurden unter anderem schon Nieren, Leberlappen und kleine schlagende Herzzellansammlungen per 3D-Bioprinting geschaffen. Von komplett funktionsfähigen Ersatzorganen sind sie aber noch weit entfernt. Als größte Schwierigkeit erweist es sich, in die Kunstorgane auch feinste Gefäße zu integrieren, damit der Körper später die Zellen mit Blut, Nähr- und Sauerstoff versorgen kann. Doch auch hier gibt es erste Fortschritte.

Ethische Fragen

Wir sollten frühzeitig damit anfangen, uns über die lebensverlängernde Wirkung solcher Möglichkeiten Gedanken zu machen, aber auch über die gesellschaftlichen Chancen und Risiken, die damit verbunden sind", sagt Markus Safaricz, Geschäftsführer der Forschungsvereinigung Feinmechanik, Optik und Medizintechnik. Denn da beim Bioprinting menschliche Zellen künstlich neu angeordnet werden, wirft das auch ethische Fragen danach auf, wo die Grenzen des Einsatzes solcher Techniken liegen sollten. Daneben gibt es auch noch rechtliche Fragen rund um den 3D-Druck in der Medizin zu klären. Gedruckte Prothesen und Implantate gelten als Produkte der Medizintechnik und müssen entsprechend geprüft und zugelassen werden. Für Einzelstücke und Kleinserien ist das aber kaum möglich. Alternativ sind aufwändige Prozessvalidierungen gefragt, die belegen, dass das Produktionsverfahren sicherstellt, dass Qualitätsprodukte entstehen. Kommen dabei auch noch neue Materialien zum Einsatz, können umfangreiche klinische Studien erforderlich werden. All das ist mit hohen Kosten verbunden. Der 3D-Druck wird den klinischen Alltag deshalb wohl nur in Raten revolutionieren.

Text: Lucian Haas

 
 

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