Die Entdeckung von Antibiotika gehört zu den
wichtigsten Entdeckungen in der Medizin: Sie bekämpfen Bakterien und können
lebensbedrohliche Infektionskrankheiten wie etwa Lungenentzündungen heilen,
gegen die es früher kein Mittel gab. Doch sind durch massenhaften und
unsachgemäßen Einsatz heute immer mehr Bakterien unempfindlich gegen Antibiotika geworden. Im
Gemeinschaftskrankenhaus Bonn beugt eine individuell angepasste
Antibiotikatherapie solchen Resistenzen vor.
Der klassische Fall: Ein älterer Patient wird
mit Verdacht auf akute Lungenentzündung in die Abteilung für Geriatrie im
Gemeinschaftskrankenhaus eingewiesen. "Unser Bestreben ist es, ihm so schnell
wie möglich zu helfen", sagt Chefarzt Frank Otten. "Gerade der ältere Patient
ist bei einem Infekt stärker gefährdet, seine Immunabwehr ist schwächer, und er
leidet eher unter Nebenwirkungen der Medikamente." Deshalb erfolgt die Gabe von
Antibiotika nach sorgfältiger Abwägung gemäß einer krankenhausinternen
Leitlinie. Am Anfang steht die exakte Diagnose: Nach der körperlichen
Untersuchung mit Abhören der Lunge folgt eine Röntgenaufnahme. Es wird Blut
abgenommen und eine Blutkultur zur mikrobiologischen Untersuchung angelegt. Außerdem
wird erhoben, ob Allergien oder andere Unverträglichkeiten vorliegen und wie
der Zustand der Nieren ist. Schließlich ist auch von Bedeutung, ob der Patient
in einer Senioreneinrichtung oder in einer Familie lebt, "denn je nach
Ursprungsort variieren die Bakterien", erläutert Otten.
Da Antibiotika nur gegen bakterielle Infekte wirken, nicht aber gegen solche, die durch Viren ausgelöst werden, muss rasch erkannt werden, welche Form bei dem Patienten vorliegt. Dies lässt sich anhand der Konzentration des körpereigenen Moleküls Procalcitonin feststellen, das nur bei bakteriellen Infekten ansteigt.
Zu lange Anwendung fördert Resistenzen
Neben der Auswahl des passenden Antibiotikums
ist dabei auch die Anwendungsdauer von Bedeutung. Und hier gibt es eine
gravierende Neuerung: Galt bis vor kurzem noch, dass ein Antibiotikum grundsätzlich
über längere Zeit genommen werden muss (beliebt war eine Anwendung über sieben
oder zehn Tage), auch dann, wenn der Patient keine Krankheitszeichen mehr
zeigt, weiß man heute, aufgrund einer wachsenden Zahl von Studien (zu Lungenentzündungen,
Haut-, Harnwegs- und Bauchhöhleninfektionen und akute
Nasennebenhöhlenentzündungen), dass nach der Genesung eingenommene Antibiotika nicht
nur keinen Nutzen bringen, sondern sogar schaden. Dachte man bisher, man könne
der Entwicklung von Antibiotikaresistenzen durch die langdauernde Einnahme vorbeugen,
so ist jetzt belegt, dass man sie damit sogar fördert, da das Medikament den
Selektionsdruck unter den Bakterien erhöht und gerade jene Stämme begünstigt,
die resistent sind, während es die anderen untergehen lässt. Otten: "Das
bedeutet für uns Ärzte, dass wir Antibiotika nur so lange wie unbedingt nötig
geben. Und das ist in der Regel deutlich kürzer als früher, etwa fünf bis
sieben Tage." Unterstützung gibt dabei
der Biomarker Procalcitonin, der schnell auf eine Therapie anspricht. Otten:
"So können wir die Antibiotika-Therapie individuell anpassen, den Infekt
wirksam bekämpfen und die Nebenwirkungen minimieren."
Zeigt das gewählte Antibiotikum nach 48 Stunden nicht die gewünschte Wirkung, werden aus den gewonnenen Blutkulturen oder anderen mikrobiologischen Präparaten des Patienten Antibiogramme erstellt, die zeigen, welches Antibiotikum zur Abtötung der jeweiligen Erreger am besten geeignet ist. Otten verweist auf die hauseigene Antibiotika-Strategie, die in allen Abteilungen zur Anwendung kommt: "Es wird regelmäßig ausgewertet, ob sie noch schlagkräftig ist oder neu angepasst werden muss."
Zur Unterstützung und Abstimmung der Antibiotika-Behandlung hat das Gemeinschaftskrankenhaus schon 2014 ein sogenanntes ABS-Team ins Leben gerufen, geleitet von Dr. Klaus Peter Schmitz, Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin, in dem jede Abteilung des Krankenhauses durch den Chefarzt oder einen Oberarzt vertreten ist, die alle eine ABS-Schulung absolviert haben. Es registriert auch, wie oft im Haus Antibiotika verordnet werden und mit welcher Begründung und welche Wirkstoffgruppen gewählt wurden. Diese Unterstützung durch das ABS-Team zeigt bereits Erfolge, so Otten: "Sogenannte Chinolone, die ein höheres Risiko bergen, Resistenzen zu setzen, werden deutlich seltener verordnet."
Weniger multiresistente Erreger
Das Gemeinschaftskrankenhaus hat seit Jahren ein
sehr leistungsfähiges Hygienemanagement aufgebaut und legt höchsten Wert auf die
Einhaltung der Hygienestandards. Neben dem Krankenhaushygieniker, eigenen
examinierten Hygienefachkräften und hygienebeauftragten Ärzten in allen
Abteilungen gehören externe Berater sowie - auf allen Stationen - speziell
fortgebildete Hygienebeauftragte in der Pflege zum Team. Für alle sind die
hausspezifischen Hygiene- und Desinfektionspläne, Verfahrensanweisungen und
Standards verbindlich, die regelmäßig geschult werden. Zeichen der Anerkennung
und der Umsetzung der deutlich erhöhten Hygienestandards ist das Siegel des
"mre-netz regio rhein-ahr".
In der Geriatrie werden alle Patienten auf die
weitverbreiteten resistenten Hautkeime MRSA gescreent, der für Gesunde
ungefährlich ist, bei älteren und geschwächten Menschen aber Infektionen
auslösen kann. Bei positivem Ergebnis werden dann die entsprechenden Maßnahmen
ergriffen, um eine Verbreitung des Keims zu vermeiden: Alle, die mit dem
Patienten in Berührung kommen, tragen Einmalhandschuhe, Mundschutz und Kittel.
Otten: "Am wichtigsten ist die Händedesinfektion, das gilt für das medizinische
Personal ebenso wie für die Besucher."